Klopapierkrise und kein Ende in Sicht

Wir schreiben das Jahr Eins der Klopapierkrise. Seit im vergangenen Jahr ein neuartiger Virus über die Welt hereinbrach, steht in vielen Ländern der Welt das öffentliche Leben nahezu still. Nein, nicht das komplette öffentliche Leben, denn  man sieht auch nach fast einem Jahr noch genug Einkaufszombies ohne Anstand Abstand durch die Supermärkte hamstern, die es bis heute noch nicht schaffen, ihre Maskerade über den Riechkolben zu ziehen und mit ihrem Erscheinungsbild dann doch ein wenig an ein Pimmelgesicht erinnern. 

Während jetzt zumindest in den Supermarktregalen nicht mehr die gähnende Leere vorherrscht, herrscht im Gegensatz dazu im Einzelhandel, in der Gastro, in der Kunst, Kultur und Event-Szene [ hier beliebige Branchen einfügen ] und im besonderen der Tattoo-Szene der blanke Existenzhorror. Schließlich gehören Tattoo-Studios zu den Dientsleistern – die direkt nach der Kunst, Kultur & Eventszene –  am längsten geschlossen haben müssen. Ausgearbeitete Hygienekonzepte hin oder her, ein Tattoo wird nicht benötigt, das sperren wir zu. Punkt. Ähnlich ging es der Gastro, die mit ihren umgesetzen Konzepten auch nur wenige Wochen öffnen durfte, um schlussendlich auch wieder den Schlüssel umdrehen musste. Für einige sicherlich das letzte Mal.

Tattoo-Studios und die Hygienestandards

Jetzt mal Butter bei die Fische! Schon alleine die Tatsache, dass es in den meisten Tattoo-Studios schon immer hygienischer zugeht, als in mancheinem Supermarkt – ja der Vergleich ist mit Absicht so wahnwitzig gewählt, da beim Tättowierer meines Vertrauens keine hunderte Wildfremde ohne ausreichend Abstand abgefertigt werden, sondern  wohl eher ein bis zwei Tattoo-Termine am Tag die Regel sind und die Tattoo-Studios komischerweise zu haben und Supermärkte weiter als Brutstätte dienen dürfen  – zeigt den Irrsinn, der hier teils an den Tag gelegt wird und die Prioritäten etwas in Ungleichgewicht werfen.

Der geneigte Leser wird nun ankommen und denken: „Hey, der Supermarkt ist schliesslich relevant, da bekomme ich mein Essen her.“ Ja, das ist richtig, das möchte ich auch gar nicht in Abrede stellen, jedoch, wo sind die Hygienestandards im Supermarkt um die Ecke denn abhanden gekommen? Anfangs wurde am Eingang penibelst kontrolliert, jeder nur mit Wagen, der vorher noch frisch desinfiziert wurde, nur eine bestimmte Anzahl an Personen darf im Supermarkt shoppen, Schlangen vor den Märkten, weil wirklich noch jemand darauf geachtet hat. Und heute? Ein Schild am Eingang weist noch darauf hin, es dürfen sich nur X Personen eingelassen werden, die Wägen schmuddelich wie eh und je, wildumherlaufende Sichselbstverpflegende ohne Einkaufswagen und ohne Abstand schlendern durch die Gänge und drängeln an den Kassen. Und selbst mit der FFP2 Arbeitsschutzmaske schafft manch unfähiger Mitmensch ein Pimmelgesicht zu offenbaren.  Mehr als nur einmal hatte ich hier schon erhöhten Puls beim nowendigen Wocheneinkauf.

Im Gegensatz dazu sehe ich beim Tattoo-Studio jetzt kein großes Problem, die bereits vorher gängigen Hygienestandards weiter umzusetzen und die Läden endlich wieder aufzusperren. Hier gibt es kein Gedränge, kein unsteriles Arbeiten, Mundschutz, Handschuhe, Einwegartikel, Desinfektionsmittel, alles bereits schon Standards vor der großen Klopapierkrise.

Schliesslich geht es hier nicht nur um irgendeine Haut Couture, es geht hier um Menschen, die als Tattoo-Artists ihren Lebensunterhalt verdienen, ihre Familien ernähren – oder eben momentan auch nicht, weil sie schlicht nicht dürfen – um Existenzen, die Existenz eine komplette Branche!

Die Ungleichbehandlung der Tattoo-Studios

Unlängst bei einer der unzähligen Pressekonferenzen zur aktuellen Lage der Nation wurde neu beschlossen, dass 50 nun das neue 35 sei. Nachdem nun wochen-/monatelang gebetsmühlenartig gepredigt wurde, bei dem sagenumwobenen 50er Wert könne man über Lockerungen sprechen – mit wem auch immer – zack, bleibt der Tattoo-Laden auch weiterhin erstmal zu.

Dafür dürfen dann aber die Hairstyling Künstler endlich wieder ihre Pforten öffnen. Applaus, Applaus – nicht! Versteht mich hier nicht falsch, für alle ist die Lage mehr als nur schlecht, jedoch habe ich recht wenig, wenn nicht sogar überhaupt kein Verständnis dafür, dass hier einer Berufssparte ein Vorzug gegönnt wird, die mitunter am längsten offen haben konnte, mehr Leute am Tag durchschleust als ein Tattoo-Studio in der Woche oder gar im Monat und meines Erachtens – also meiner persönlichen Erfahrungen nach – vor dem Jahr Eins der neues Zeitrechnung nicht annähernd an die Hygienestandards eines Tattoo-Studios rankam.

Ich kann mich zumindest nicht erinnern, dass beim Frisör um die Ecke mit Handschuhe, Mundschutz, Desinfektionsmittel und Einwegwerkzeug gewerkelt wurde. Nix für ungut, euer Job sei euch gegönnt, auch dass ihr vor allen anderen ausperren könnt, dennoch seid ihr nicht die einzige Branche, die am Boden liegt. Und solange, bis alle die ein Konzept vorlegen können wieder aufmachen dürfen, hat die Geschichte auf jeden Fall ein ebesolch schales Gschmäckle wie ein Fläschle Öttinger, das schon seit Stunden offen in der Sonne steht.

PROST!